Auf Grundlage der demokratischen Kantonsverfassung von 1831 wurde ein neues Schulwesen geschaffen. Die liberale Regierung legte grossen Wert auf eine Trennung von Kirche und Schule, sowie auf die Ausbildung der Lehrpersonen. Zu den ersten Absolventen des neuen Lehrer-Seminars gehörte der aus Bolstern bei Winterthur stammende Heinrich Bosshard, der darauf in Schwamendingen als Lehrer Anstellung fand.
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Schon in früher Kindheit fiel Heinrich mit seinem Hang zur Musik auf, während er seine Schulzeit als sehr eintönig empfand. In der Alten Schule bestand der Unterricht nur aus Buchstabieren, Lesen und Auswendiglernen vor allem von religiösen Texten. Oder wie er selber es schrieb: „In jedem halben Tag mussten wir dem Lehrer zwei mal aufsagen; und jedesmal, wenn wir aufgesagt hatten, buchstabierte er jedem einzelnen das vor, was er nun lernen musste bis wieder zum Aufsagen. Und so ging es Jahr aus und Jahr ein.“
Vergnügen bereitete ihm hingegen das Erlernen des Flöten- und des Violinenspiels bei der Nachbarsfamilie Wäckerli. Gefördert wurde Heinrich Bosshard als Kind auch vom Pfarrer des Ortes. Auf dessen Motivation hin trat Bosshard 1832 mit 21 in die allererste Klasse am eben neu eröffneten Lehrerseminar. Zuvor betätigte er sich als Fischer und indem er seine Mutter beim Hausieren begleitete.
Da eigentliche Lehrbücher während seiner Ausbildung zum Lehrer erst in Erarbeitung waren, wurde Heinrich Bosshard als einer der besten Seminarschüler um Mitarbeit angefragt. Er steuerte Inhalte zu den Lehrmitteln in naturkundlichen Fächern bei und er verfasste Lieder für das neue, weltliche Schul-Gesangbuch.
Bald nach Bosshard's Stellenantritt in Schwamendingen 1834galt die hiesige Schule als eine fortschrittliche Musterschule.
Moderne Lehrer wie Bosshard fielen nach dem Züriputsch 1839 bei den reaktionären Machthabern in Ungnade. Als sich Bosshard für den dabei abgesetzten Seminarleiter Scherr einsetzte, wurde auch er des Lehramtes enthoben. Zahlreiche Schwamendingerinnen und Schwamendinger, bereiteten ihm nach seiner Rückkehr vom Gerichtsprozess 1840 in Zürich, wo er frei gesprochen wurde von den politisch motivierten Vorwürfen der Störung des Religionsfriedens, einen triumphalen Empfang. Da jedoch das Berufsverbot bestehen blieb, stellte ihn Schwamendingen als Gemeindeschreiber an um ihn im Ort zu halten. Erst nachdem eine Petition von 101 Schulgenossen an den Regierungsrat erging, hob letzterer ein Jahr später das Berufsverbot auf, empfahl aber der Schulbehörde auf das „sittliche Benehmen des Herrn Bosshard ein wachsames Auge zu haben“.
Die konservative Regierung, das sogenannte „Septemberregime“, hatte sich bei uns mit der vorübergehenden Entlassung des beliebten Lehrers viele Feinde geschaffen. Dem Aufruf zur Demonstration bei der Ziegelhütte gegen die Konservativen folgten am 29. August 1841 über 20'000 Menschen aus dem ganzen Kanton - fast 10 Prozent der damaligen Kantonsbevölkerung! Dieser Tag ist als „der schöne 29. August“ in die Geschichte Zürichs eingegangen. Schwamendingen festigte damit seine Stellung als besonders fortschrittliche Gemeinde.
1845 übernahmen die Liberalen wieder die Macht und das moderne Schulwesen etablierte sich.
Weil seine Lieder von den Schülerinnen und Schülern begeistert aufgenommen wurden, begannen sich deren Eltern für das neue Liedgut zu interessieren. So kam es, dass Bosshard mehrere Gesangsvereine ins Leben rief. Sein bekanntestes Lied schuf Heinrich Bosshard 1836: Das Sempacherlied. Leider musste Heinrich Bosshard schon 1850 wegen eines Lungenleidens den Lehrerberuf quittieren. Er liess eine hervorragend aufgestellte Schule zurück, die unter seinem Nachfolger Birch mehrmals als beste Schule des Bezirks ausgezeichnet wurde. Zu seinen Ehren benannte die Gemeinde Schwamendingen später das 1825 eingeweihte Schulhaus, wo er 17 Jahre in der Schulstube im Erdgeschoss unterrichtete und in der Dienstwohnung im ersten Obergeschoss wohnte, in "Heinrich Bosshard Schulhaus". |
Schiffsreisen, insbesondere lange Überfahrten auf den Meeren, waren zur damaligen Zeit echte Abenteuer, denen sich freiwillig kaum jemand unterzog. Das erfuhr Bosshard am eigenen Leibe, als er sich in Le Havre an Bord eines massiv überbelegten, relativ kleinen Segelschiffes begab mit Ziel New York.
Die meisten Auswanderungen nach Amerika aus der Schweiz fanden in dieser Zeit statt. Die Gründe dazu waren meistens wirtschaftlicher Natur, galt doch die Schweiz damals als eines der ärmsten Länder Europas.
Die Passagiere, fast alles Auswandererfamilien, mussten sich an Bord selber organisieren. Bei der Schiffsbesatzung konnten Grundnahrungsmittel, Brennholz und Kochzeit gekauft werden, ansonsten oblag es jeder einzelnen Person, sich selber zu versorgen. Die Atlantiküberquerung dauerte exakt vier Wochen, während denen der Kahn mehrmals tagelang von Stürmen durchgeschüttelt wurde.
Wer sich den Strapazen einer solchen Überfahrt aussetzte, blieb längere Zeit am Ankunftsort. So auch Bosshard. Nach seiner Rückkehr folgten ihm etliche Wagenladungen mit Mineralien, Tieren, Pflanzen, Aufzeichnungen und unterschiedlichsten Objekten, welche er sammelte und studierte. Damit hielt er nun Vorträge vor Auswanderungswilligen ebenso wie vor wissbegierigen Lehrpersonen und Professoren der neuen Hochschulen. Für das neue Schulfach Erdkunde gab er im Eigenverlag eine grosse Schulwandkarte von Amerika heraus, das Aufkleben der bedruckten Blätter auf Leinwand besorgte er selbst, ebenso das Anbringen der Ösen und den Vertrieb in die Schulhäuser. Reisen in Nordamerika selber waren zu jener Zeit nicht uneingeschränkt möglich. Darum trug Bosshard auf seiner zweiten Reise ein Begleitschreiben des damaligen Kriegsministers der Union auf sich, das ihn als reisenden Naturwissenschaftler auswies. Einige male soll ihn dieses Schreiben vor Gefangennahme gerettet haben. Auf seinen Touren begegnete unser Lehrer Schweizer Siedlungspionieren. Von ihnen erfuhr er vom glücklichen Leben im Städtchen Helvetia in der Region Neu Schweizerland im Staate Illinois. Diese Siedlung musste natürlich besucht sein! Die Gegend gefiel ihm schliesslich derart gut, dass er ob des herrlichen Landes, dem billigen Boden, dem angenehmen Klima und der ausgezeichneten Stimmung unter der Einwohnerschaft ins Schwärmen. Fest entschlossen zurück zu kehren kaufte sich Bosshard in Helvetia, das später zu Highland umbenannt wurde, ein Stück Land am Hügel mit dem Namen Jura. |
Irgendwann während seiner zweiten Reisen muss Bosshard den Entschluss gefasst haben mit seiner Frau und den drei Kindern im Alter von 12 – 16 Jahren, für immer dorthin zu übersiedeln. So geschah es, dass die Familie noch im Jahre von Heinrich's Rückkehr von dessen zweiten Amerikareise 1860 aufbrach in die Neue Welt.
Anfänglich mussten die Bosshards in Highland ihre Gürtel enger schnallen. Obwohl er als Lehrer in Schwamendingen nebenbei ein kleines Bauerngut betrieben hatte – vom Lehrerlohn liess sich damals kaum eine Familie ernähren – musste er erst viel lernen um als Landwirt ein Auskommen bestreiten zu können. Dann kam der Sezessionskrieg bis 1861-1865, was zusätzlich für wirtschaftliche Schwierigkeiten sorgte. Schliesslich zahlten sich die Mühen aus, so dass Heinrich Bosshard 1867 in die alte Heimat berichten konnte: „Der Ertrag an Obst, Vieh, Honig hat dies Jahr unser Einkommen auf weit über 2'000 Dollars gesteigert, was mehr ausmacht als mein Lehrereinkommen in Schwamendingen in den 17 Jahren zusammen.“
Vor allem mit der Bienenzucht feierte Heinrich einige Erfolge. Auch darin zeigte sich der weltoffene und fortschrittliche Charakter seiner Persönlichkeit, indem er ständig neue Techniken in der Imkerei ausprobierte und verfeinerte. So kam die Familie Bosshard schliesslich zu Wohlstand, den sie auch dazu nutzte, jeden Sonntag zahlreiche Gäste zu bewirten und zu unterhalten.
Und wie schon in Schwamendingen engagierte sich Heinrich auch in Highland in den dort zahlreich ansässigen Gesangsvereinen. Als Mensch, als Dichter und als Komponist verschaffte er sich in seiner neuen Heimat grosse Achtung und er wurde regelmässig als Experte zu den schulischen Musikprüfungen beigezogen.
Im März 1877 erkrankte Heinrich Bosshard an Typhus woran er, ohnehin geschwächt durch ein Herzleiden, am 3. April 1977 schliesslich verstarb.
Seine letzte Ruhestätte fand er seinem Wunsch gemäss auf der Bosshardschen Farm zwischen seinen geliebten Bienenstöcken. Noch heute erinnern an dieser Stelle eine schlichte Gedenktafel und im Städtchen Highland ein imposantes Denkmal an die schillernde Person Heinrich Bosshard.
Tabelle zum Leben Bosshard's und der geschichtlichen Eckpunkte | |
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25 Tafeln mit Texten und Bildern zum Leben und zum zeitlichen Kontext Heinrich Bosshard's, welche die Gruppe Museum der OGK für das Mosaik-Fest 2012 auf dem Schwamendingerplatz erarbeitete, können hier als PDF im Format A4 heruntergeladen werden.
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