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Glattaler Wein

Wein Der Wein, von den einen als Göttergetränk gepriesen, von den andern als Teufelsgesöff in die Hölle verdammt, hat die Menschen seit eh und je in seinen Bann gezogen. Was unsere Vorfahren über das "edle Gewächs aus heimischen Gemarkungen " aufgezeichnet haben, wolen wir ein wenig unter die Lupe nehmen. Wir kredenzen Ihnen eine kleine "Weinprobe" aus einer "Lese" vergilbter Schriften.

1. Aufzeichnungen des Grossmünsterstiftes bis 16. Jahrhundert

Anno 1234 soll die Winterkälte so gross gewesen sein, dass sogar der Wein in den Fässer zu Eis wurde... (vielleicht war auch der Wein ziemlich schwach?). Im Jahre 1240 kelterte man einen so starken Wein, dass er ohne Beimengung von Wasser nicht trinkbar gewesen sei. Der Jahrgang 1336 wiederum ist als "Königswein", "dem Elsasser in nichts nachstehend" in die lokale Weinbaugeschichte eingegangen. Dagegen gefroren die Trauben 1392 bereits im Herbst so stark, dass sie mit "hölzernen und eiseren Stöcken zerschlagen werden mussten". Eine überreiche Weinernte bescherte unserem Dorf das Jahr 1484: Viel Wein sei mangels Fässern und Geschirr ausgeschüttet oder zum Anrühren von Kalk verwendet worden.

Gerühmt wurde auch der Jahrgang 1516. Dieser "herrliche Wein" sei noch besser gewesen als seine berühmten Vorgänger von 1336, 1479 und 1504: "Süss und starkbis zum folgenden Sommer, dann lauter und gelb wie Gold, stark und lieblich zu trinken.". Ein recht dubioser Tropfen muss hingegen der 1529er gewesen sein. Er wurde unter dem Titel "Gott behüet uns" vorgemerkt und soll so sauer gewesen sein, dass er die kupfernen Rohre und Hahnen in den Weinkellern durchfressen habe.

Von ganz anderer Qualität, nämlich "hell und heissblütig" präsentierte sich offenbar der Jahrgang 1540, der "Unkarsteten" getauft wurde. Ab dem 29. Februar hielt das schöne Wetter ganze 29 Wochen lang an, weshalb "sunderlich viel des allerköstlichen Weines" gekeltert wurde. Um ihn zu lagern, wurde im Keller des Obmannamtes zu Zürich ein neues Fass aufgestellt.

Schon damals hielten sich die Leute nicht immer an die obrigkeitlichen Vorschriften. Am 19. April 1581 wurde der "huober Jacob Benz", auch "Schmittenjagli" genannt, zusammen mit anderen Dorfgenossen angeklagt, weil sie verbotenerweise "nüwe räben" angepflanzt hatten: "Jacob Benz, Conrad Frey und Felix Hindermeister zuo Schwamendingenhatten etliche Räben ingeschlagen, hinderruggs und one vorwüssen der Herren pflägeren und der Stifft, in der Zelg gegen Steppach" (Stettbach).

Anno 1629 beschloss die Schwamendinger Huberschaft (Grundeigentümer), von jedem Neuzuzüger ein "Einzugsgeld" zu erheben. Dieses Geld sei jedoch nicht für künftige Aufgaben des Gemeinwesens verwendet, sondern "liderlicher wys zuo Walliselen und derglychen orten vertruncken und verbrucht " worden. Einmal sei "uff die 20 pfund zuo Wallisellen vom vogt Cuonen (Kuhn) und etlichen huoblüten vertruncken worden".

2. Aufzeichnungen und Begebenheiten vom 17. bis ins 19. Jahrhundert

In Schwamendingen konnten wegen der allgemein nach Norden gerichteten Hanglage nur an wenigen Stellen Reben angebaut werden. Die Rebäcker befanden sich vor allem am Moränenhügel bei der Probstei und gegen Stettbach. Diese sonnigen Lagen werden heute zum Teil von Familiengärten genutzt. Witterungsbedingt zeigten sich die Weinernten von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich. Zur Lagerung der Überschüsse stellte man im Keller des Obmannamtes zu Zürich im Jahre 1637 das weitherum grösste Weinfass auf. Sein Inhalt betrug umgerechnet nicht weniger als 43’450 Liter!

Der Schwamendinger Weibel dieser Zeit sprach offenbar allzu gerne dem Wein zu, wie einem Bericht an die Stiftsherren des Grossmünsters vom 13. Januar 1671 entnommen werden kann: er „habe jetzt vil jar lang dem holtz schlechtlich gehüetet, sei tag und nacht vol win gsin“. Er nahm auch gerne Geschenke entgegen und vergass darob seine Aufsichtspflichten: „man bringe ihme fläschen win us dem holtz zum haus“ und „werde ihme von allen metzgeten an der oberen strass (Oberstrass) würst und fleisch geschickt. Bescheche nicht umbsonst.“.

Auch ein Weibel im folgenden Jahrhundert hat gemäss den Aufzeichnungen des Stiftsverwalters vom April 1762 sein Amt des öfteren missbraucht. Am 15. wurden drei Kirschbäume geschlagen: „Das abholtz davon hat der schmied gekauft umb 8 mass win (ca. 15 Liter), die der weibel und die anderen mit einanderen versoffen“. Am folgenden Tag wurden die Bretter („Flecklinge“) der Aubrugg ersetzt. „Diese alten flecklinge haben sie dem schmied verkauft umd ½ eimer win (ca. 55 Liter) und den mit Weibel versoffen und neue flecklinge aus dem wald genommen“ (also gestohlen). „Den 18. seie er vormittag im kelhoff und nachmittag bim David Krüttel gewesen und vol gsin“.

1829 wurde der dem Grossmünsterstift abzuliefernde Weinzehnten abgeschafft. Stattdessen musste eine Loskaufsumme von 477 Franken aufgrund des mittleren Zehnten-Ertrages der Jahre 1806-1829 von 3 Eimern 16 Kopf und 4/5 Mass (ca. 430 Liter) bezahlt werden, wie der damalige Stiftsschreiber Heinrich Usteri ausgerechnet hatte.

Die verbesserten Verkehrswege und lange Schlechtwetterperioden führten im 19. Jahrhundert zum Niedergang des Weinbaus im Glattal. Die Rebäcker in Schwamendingen wurden nicht mehr richtig gepflegt, was ein Spottvers, der auf einer Tafel unterhalb der Hüttenkopfstrasse gestanden haben soll, bestätigt:

Wänn mer chunnt uf Schwamedinge
muess mer über d’Schtäcke springe
Und dänn händ die Cheibe Freud
wänn mer rächt uf d’Schnore gheit


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