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Der Kirchenstuhlstreit

Dass zwischen den Oerlikonern und den Schwamendingern einst ein bitterer Kampf um die Plätze in der Kirche Schwamendingen ausbrach, kommt uns heute eher komisch vor. Wie kam es dazu, dass sogar die Regierung verfügen musste, wer auf den Stühlen Platz nehmen durfte?

Bei der Renovation der Kirche im Jahre 1782 wurde einen neue Bestuhlung eingebaut. Es standen nun, neben den Bänken, 86 reservierte Stühle im Chor und auf der Empore zur Verfügung, die der Landschreiber Räuchli zu numerieren hatte. Die ersten 22 Stühle waren für besondere Amtsinhaber bestimmt: Untervogt, Ober- und Unterdorfmeister, Ehegaumer, Pfarrer, Sigrist Säckelmeister, Weibel, Weg- und Glattknechte sowie Göttis. Die restlichen 64 Stühle sollten nach dem Willen der Schwamendinger auf die 16 Besitzer der Huben (Güter) aufgeteilt werden: Vier Stühle für jeden.
Die Oerlikoner waren damit aber nicht einverstanden und reklamierten bei den Obervögten. Diese luden die Vertreter Schwamendingens vor und befahlen ihnen kurz und bestimmt, wie die Kirchenstühle zu vergeben seien: Den Besitzern der Huben nur je drei, dafür den ältesten Männern aus Oerlikon 15 Stühle! In ihrer Empörung über die Ansprüche der Oerlikoner schickten die Schwamendinger zahlreiche Bittschriften und Proteste über den Milchbuck und appellierten schliesslich an die Regierung.

Alte Kirche

Den Einwohnern des kleineren Ortes Oerlikon - das noch keine eigene Kirche hatte - war zwar der Besuch der Schwamendinger Gottesdienste seit Generationen gestattet. An die Reparaturen, an die kostbaren Renovationen von Kirche und Turm und an die Glocken hatten die Oerlikoner aber nie auch nur einen Heller bezahlt. Und jetzt sollten ihnen noch 15 Kirchenstühle geschenkt werden? Nach Meinung der Schwamendinger hatten sie Platz genug auf den gewöhnlichen Bänken. Der damalige Pfarrer Fäsi wollte es mit den Gemeindegliedern aus dem Nachbardorf nicht verderben und erklärte strikte Neutralität. Dies wurde ihm hier sehr verübelt und viele liessen sich in der Kirche lange nicht mehr blicken.

Die Regierung hat dann entschieden, dass den Oerlikern tatsächlich 16 Stühle abzutreten seien: 8 unter und 8 auf der Empore. Zur Unterscheidung waren diese rötlich anzustreichen! Dafür aber mussten sie dem Kirchengut auf Martini 1783 satte 130 Gulden in bar bezahlen. Beide Parteien fanden sich damit ab, und der monatelange Krieg um die Kirchenstühle fand ein Ende!

Im Jahre 1834 wurden den Hubenbesitzern die Stühle für je 8 Franken abgekauft und Jahr für Jahr in der Kirche neu versteigert; allerdings bei stetig sinkender Nachfrage. Nachdem 1849 noch ganze 34 Franken zusammenkamen, wurden die Ganten eingestellt. Fortan wurde nicht mehr um die Kirchenstühle gestritten und alle dürfen sitzen, wo es ihnen beliebt.

© Erika Munz

 

Im Raum 1 im Erdgeschoss unseres Museums finden sich Schriften und Objekte des kirchlichen Lebens Schwamendingens.

 

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